1
Dez
2008

Verkaufsoffener Sonntag

Supermarket1

Hallo, kleine Verkäuferin,
steht dir nach Sonntagsdienst der Sinn?
Die Kunden sind auf Schnäppchenjagd,
die Freizeit, die ist dir versagt.

Noch ein Geschenk, ne Flasche Wein,
tippst alles in die Kasse rein,
bist immer freundlich, nett und lieb,
selbst zu dem bösen Ladendieb.

Füllst unermüdlich das Regal.
Die Rückenschmerzen sind ne Qual,
auch deine Nerven liegen blank,
bist von der Hetze schon ganz krank.

Die Kasse piept, der Rubel rollt,
doch ziemlich mickrig ist der Sold,
den dir gewährn die hohen Herrn,
den Hauptgewinn kriegt der Konzern.

Derweil die Kunden Schlange stehn,
willst du so gern nach Hause gehn.
Die Beine hoch, die Türe zu,
dann hätt die liebe Seele Ruh.

Adventszeit, oh du stille Zeit…
Mensch, deine Kinder tun mir leid,
alleine unterm Weihnachtsstern,
sehn ihre Mama nur von fern.

Ach nee, kleine Verkäuferin,
geh streiken, schmeiß die Arbeit hin,
denn alle Kassen stehen still,
wenn deine kleine Hand es will!

(Foto: Velela, Supermarket check out)
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17
Okt
2008

Die Steine von Budapest

Budapest

Budapest, schönste Perle der Duna!
Straßen in Pest und Mauern in Buda,
prachtvoll erbaut von stolzen Magyaren.

All deine Steine kennen Geschichten,
können von Langobarden berichten,
Römern, Osmanen, wilden Tataren.

Bischof Gellért in eifrigem Streben,
in einem Fass, da ließ er sein Leben,
rollte den Fels hinab schon beizeiten.

Mátyás Hunyadi, Schützling der Raben,
König und Dichter, jung und erhaben,
ritt dran vorbei, mit Friedrich zu streiten.

Habsburgern, Türken solltest du dienen,
von all den Kriegen blieben Ruinen,
Grabsteine, Schutt und die Zitadelle.

Aufstände, Kämpfe, Revolutionen,
von ihren Köpfen fielen die Kronen
bald auf das Pflaster nieder ganz schnelle.

Bis Adolf Hitler drüber marschierte,
Märsche nach Auschwitz organisierte,
russische Panzer konnten dich retten.

Doch eines Tages kamen sie wieder,
schossen beim Aufstand Tausende nieder,
Ungarn gefangen wieder in Ketten.

Budapest, schönste Perle der Duna!
Jetzt schlägt dein heißes Herz für Europa,
edle Karossen, Damen halbseiden.

Traurige Augen, schmutzige Hände.
Hausmauern trist im Abrissgelände
sehn nur der Roma Elend und Leiden.

(Bild: Blick vom Budaberg auf das Parlament)
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3
Okt
2008

Vereint

mauer

Tanzende Steine -
Wie leicht mein Herz, als endlich Mauern brachen.
Wir zwei vereint und keiner mehr alleine.

Steinerne Herzen -
Verklungen die Musik, nach der wir tanzten.
Geblieben sind uns Bitterkeit und Schmerzen.

(Bild: Thierry Noir, Berliner Mauer am Bethaniendamm)
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1
Okt
2008

Persönlich

schiele

Er schrieb mir persönlich:

"Liebes lächelndes Felsengeschöpf,
wohl manche Nacht träume Ich nur von dir,
vom Liebesspiel morgens in Meinem Bad,
vom Rosmarinschaum auf deiner Haut.

Meine Lippen versunken in deine Scham.
Meine Macht über deinen zerbrochenen Schrei.
Mein Schlüssel zu Meiner Schlafzimmertür.
Meine Männlichkeit und SONST NICHTS!

Denn sage Ich du, so meine Ich MICH.
Mich, den Schänder, den Tiger,
Mich, das seelenlose Vieh.
Auf die Brust tätowiert: MEIN HERZ!"

(Bild: Egon Schiele, Die Umarmung)
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Ein Bild von dir

Matrose

Sehnsuchtsvoll sitze ich alleine hier,
verträumt betrachte ich ein Bild von dir.
Dein Bild, das mich oft traurig macht und quält,
von meinem fernen Liebsten mir erzählt.

Neugierig sehe ich dir ins Gesicht,
denn wenn du hier bist, traue ich mich nicht,
bin stumm, verwirrt und schüchtern wie ein Kind,
bin eben so, wie die Verliebten sind.

Ein hübscher blonder Mann mit hoher Stirn,
dahinter steckt ein Philosophenhirn,
gepaart mit klarem, praktischem Verstand,
den Geist geschult im hellen Morgenland.

Nickelbebrillte Augen lachen frech
mich an. Nee, aus! Herrje, verdammtes Pech!
Lach nur, doch sage mir, wie’s weitergeht
in meiner Welt, die sich im Kreise dreht.

Die Nase wittert Seeluft und Gefahr,
Koriander und Wacholder wunderbar.
Geheimnisvoller fremder Länder Duft
erfüllt, wenn du am Kochtopf stehst, die Luft.

Die Wangen schmücken kleiner Grübchen Zier,
so schön, dass ich sogleich mein Herz verlier.
Wie fröhlich hast du mich doch angelacht
beim Tarantellatanz in jener Nacht.

Dein süßer Mund, er steht nur selten still,
er küsst mich tausendmal, wenn ich es will.
Wohl tausend Küsse geb ich dir zurück
und Liebe, jeden Tag ein großes Stück.

Dein liebes Lächeln, ach, es fehlt mir so,
werd ohne dich nicht mehr des Lebens froh.
Endlos die Stunden bis zur Wiederkehr.
Warum, mein Liebster, ist mein Herz so schwer?

Wie gerne säh ich dir jetzt ins Gesicht,
seh mir dein Bild nur an, mehr hab ich nicht.
Ich bin nur eine arme Seemannsbraut,
die auf dich wartet und auf Gott vertraut.

(Bild: Otto Dix, Matrose und Mädchen II)
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29
Sep
2008

Friedrichshain, Frankfurter Allee

stalinallee

21.00 Uhr bei Salamas
dufte Stimmung
lachende Gesichter
Prösterchen
auf die neue Saison

St. Pauli - Osnabrück 2:2
Bayern – HSV 2:2
1 Punkt für jeden
für die einen ein Fest
für die anderen eine Blamage

Schon 5.30 Uhr
Salaman ist müde
Torsten ist friedfertig
Monika ist schlecht
Zeit zu gehen

Ich schlendere
die Frankfurter Allee entlang
die ersten Punks
und ein paar Vietnamesen
sind schon unterwegs

Vor mir zwei Studenten
in ein Gespräch vertieft
Wer bin ich
Woher komme ich
Wohin gehe ich

Eine ältere Frau
beschimpft sie laut
ihr verdorbenen Schweine
ihr Abschaum
ihr Sittenstrolche

Die S-Bahn
fährt nur alle 15 Minuten
Zeit für eine Zigarette
setze mich auf das Treppchen
der Bettler und rauche

Ein weißhaariger Mann
spricht mich an
„Schulljung,
kann ick Ihnen wat Jutet tun?“
und schenkt mir eine Flasche Bier

Am türkischen Imbiss
lasse ich sie öffnen
der Mann gratuliert mir
zum Bier und sagt:
“Einen schönen Tag noch!“

Ich begreife
so schnell kann es gehen
und du bist ganz unten
aber nie verloren
im Herzen Berlins

Wie die Vögel des Himmels
die Tauben am Bahnsteig
die Enten auf der Spree
werde ich hier immer
Menschlichkeit finden

(Bild: Chargesheimer, Stalinallee um 1959)
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In der Schönhauser Allee

schoenhauser

Durch den Prenzlauer Berg, juchhe,
führt stolz die Schönhauser Allee.
Geschwängert die Berliner Luft
vom Diesel- und vom Dönerduft.
Viel Leben, wo ich geh und steh,
hier in der Schönhauser Allee.

Arbeiter, Rentner, Mutter, Kind
eiln über Stock und Stein geschwind.
Ein Punk mit seinem kleinen Hund
ist glücklich, ihm schlägt keine Stund,
wählt hoffnungsfroh APPD
hier in der Schönhauser Allee.

Seh Läden, sehe Restaurants,
seh ferne Länder wie in Trance,
Kleider aus Mali und Peru,
aus Nepal Schmuck, aus Rom die Schuh,
ess Nudelsuppe aus Taipeh
hier in der Schönhauser Allee.

Bierdosen liegen rum im Dreck.
Was soll’s? Ich kick sie einfach weg.
Ein Rapper kommt von einem Fest,
ein harter Drink gab ihm den Rest.
Ein Glatzkopf wankt zum BFC
hier in der Schönhauser Allee.

Bei Konnopke am Stand, oh weh,
steht wer auf meinem großen Zeh.
Würzig und heiß die Currywurst,
ein kühles Pils löscht meinen Durst,
während ich manchen Promi seh
hier in der Schönhauser Allee.

Ins Kino, einst ein Pferdestall,
strömt alt und jung von überall,
kauft Cola, Popcorn, Tickets ein,
drängt in die Kinosäle rein,
bestaunt das Monster und die Fee
hier in der Schönhauser Allee.

Arcaden, du Konsumpalast!
Raubst manchen Euro deinem Gast.
Wie die Bekloppten kaufen sie,
ganz stumpf und willenlos wie Vieh.
Ein armer Bettler sitzt im Schnee
hier in der Schönhauser Allee.

Ein alter Opa singt voll Hohn
ein Spottlied zum Akkordeon.
Verkäuferinnen sind geschlaucht,
es wird ne Kippe schnell geraucht.
Der Yuppie trinkt sein’ Milchkaffee
hier in der Schönhauser Allee.

Die Glocke von Gethsemane
trägt in die Straße die Idee
von Frieden und Gerechtigkeit,
vom Aufbruch in der Wendezeit.
Die Freiheit ist kein alter Schnee
hier in der Schönhauser Allee!

(Bild: Horst Sturm, Besuch von Nikita S. Chrustschow,
Berlin, Schönhauser Allee, 1963)
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28
Sep
2008

Humboldthain

humboldthain

Heller Septembersonnenschein
leuchtet vergnügt zum Fenster rein.
Uns hält nichts in der Stube, nein -
komm schnell, wir gehn zum Humboldthain!

Im Rosengarten süßer Duft,
die Mücken tanzen in der Luft,
ein Kindchen nach der Mama ruft,
Ärger und Frust sind schnell verpufft.

Ein Eichhörnchen flitzt auf den Baum.
Die Elster schimpft, man glaubt es kaum.
Der Dichter dichtet wie im Traum,
ist ganz entrückt von Zeit und Raum.

Am Bunker Klettermaxe übt,
im Schatten Paul die Paula liebt,
Julia dem Romeo vergibt -
und alle sind ganz heiß verliebt.

Am Grill die Hammelkeule schmort.
Die Jogger treiben tüchtig Sport.
Und nie hört man ein böses Wort -
dies ist ein wundervoller Ort!

Der Tag neigt sich dem Ende zu,
nun ist es Zeit für Rast und Ruh.
Zur Panke tragen mich die Schuh,
denn da, mein lieber Tom, wohnst du!

(Bild: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung,
Rosengarten im Volkspark Humboldthain)
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27
Sep
2008

Alexa!

alexa2

"Herrreinspaziert!", so tönt es laut.
Ein Kaufhaus wurde aufgebaut,
sehr prachtvoll, ganz im alten Stil,
und ganz Berlin hat nur ein Ziel.
Es strömt herbei von fern und nah
zum Alex, zum Alexa!

Sie eiln hierher im Dauerlauf.
Sprechchöre rufen: "Türen auf!"
Einhunderttausend in der Nacht -
zwecklos, dass Polizei hier wacht.
Absperrung nur zur Zierde da
am Alex, am Alexa!

"Saugroß! Saubillig!" das Gebrüll.
Die Schnäppchenjäger wühln im Müll.
Ein Handy für fünf Euro nur!
Man schleppt die Kisten übern Flur.
Ein Kaufrausch, wie man ihn nie sah
am Alex, im Alexa!

"Platz da, hier kommt die größte Sau!"
Schon haun sie sich die Fresse blau,
vor lauter Gier im Kopf ganz krank,
die Polizisten mittenmang,
die Feuerwehr ist auch schon da
am Alex, im Alexa!

Der Schaden ist schlimm anzuschaun:
Regale kurz und klein gehaun,
fünfzehn Verletzte, Scheiben hin.
Kopfschüttelnd frag ich nach dem Sinn,
kann nicht begreifen, was geschah
am Alex, im Alexa!

(Bild: Henny Borbein, Alexanderplatz)
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25
Sep
2008

Entzweit

paar

Wände so weiß,
kalt und kahl,
Mäntel aus Eis.

Beide kauern
stumm und fahl
in den Mauern.

Augensterne
blicken leer
in die Ferne.

Dort am Fenster,
ist da wer?
Die Gespenster!

Banges Schweigen,
Lippen blass,
Totenreigen.

Nach dem Küssen
plötzlich Hass.
Konnt man’s wissen?

Worte bitter,
voll Gewalt,
ein Gewitter.

Nun sind die Türen
zugeknallt,
die heimwärts führen.

(Bild: Ernst Ludwig Kirchner, Paar im Atelier)
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Halbe Frau

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