1
Aug
2015

Rapunzel

Es war einmal ein Ehepaar,
die Frau in guter Hoffnung war.
In diesem Zustand, wie man weiß,
ist oft der Hunger groß und heiß.

Nach den Rapunzeln stand ihr Sinn
im Garten ihrer Nachbarin,
worauf gehorsam ihr Gemahl
im Garten die Rapunzeln stahl.

Doch merkte das die Nachbarin,
Frau Gotel, eine Zauberin.
Und furchtsam, wie die Männer sind,
versprach er ihr sogleich das Kind.

Sie schnappte sich das arme Wurm
und sperrte es in einen Turm.
Dort saß Rapunzel Jahr um Jahr
und immer länger wuchs ihr Haar.

Und quälte sie die Einsamkeit,
ließ sie’s herab von Zeit zu Zeit
für Zauberin und Edelmann -
und wurde schwanger irgendwann.

Da schnitt die Zauberin brutal
Rapunzels Haar ab ratzekahl
und trieb das Mädchen mit Geschrei
in eine karge Wüstenei.

Und als ihr Liebster wiederkam,
am Haar den Weg nach oben nahm
zur Kammer der Rapunzel hin,
saß drin die böse Zauberin.

Vor Schreck sprang er vom Turm geschwind,
fiel in den Dornbusch, wurde blind
und irrte hilflos durch das Land,
bis ihn Rapunzel endlich fand.

Sie küsste innig ihren Mann
und weinte. Eine Träne rann
dem Prinzen über das Gesicht,
gab ihm zurück das Augenlicht.

Sie lebten glücklich viele Jahr
mit ihrer großen Kinderschar.
Frau Gotel raufte sich das Haar,
bis nur ein Glatzkopf übrig war.
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28
Jun
2015

Elegie - nie

Nun, du bist nicht Ulrike von Levetzow
und ich bin nicht der alte Meister Goethe.
Doch leide ich wie er wohl tausend Nöte,
wenn du fragst du mich, wie’s geht, und sag: Es geht so.

Der Faun bläst uns ein Lied auf seiner Flöte.
Du bittest mich zum Tanz, das Lied ist so slow.
Ach, Liebe ist ja nur noch eine Live-Show.
Wie kommt es nur, dass ich trotzdem erröte?

Du Liebes, lass uns Raum und Zeit vergessen
und all die dummen Sprüch übers Alter.
Du denkst, das wäre allzu sehr vermessen?

Doch sind wir nicht viel mehr als Eintagsfalter.
Und haben wir uns erst einmal besessen,
dann gibt’s für uns ganz sicher keinen Halt mehr.
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20
Jun
2015

Bonjour Tristesse

Der Himmel trägt heut morgen Trauer,
schwarzgrau, und keine Sonne scheint.
Vielleicht kommt gleich ein Regenschauer,
der mit mir um die Wette weint.

Wo sind sie hin, die großen Lieben,
so selig süß und sehnsuchtsvoll?
Bei Andern sind sie abgeblieben
und einige beim Alkohol.

Wo sind die Freunde all geblieben
aus alter und aus neuer Zeit?
Den Styx sind sie hinab getrieben
in einem weißen Totenkleid.

Mir scheint, die Winde wehen rauer,
seit meine Eltern nicht mehr sind.
Das Glück war von zu kurzer Dauer,
das ich durch sie erfuhr als Kind.

Doch durfte ich an schönen Tagen
vereint mit diesen Menschen sein.
Drum will ich nun nicht länger klagen
und warte auf den Sonnenschein.
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14
Jun
2015

The Blue Boy

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Will nie mehr den Blick von dir wenden,
will Stunde um Stunde verschwenden.
Dein edles Bildnis zart und fein,
das brannte sich ins Herz mir ein.

Stehst aufrecht und stolz in der Mitte,
galant nach der höfischen Sitte.
Dein ewig junges Angesicht
erstrahlt im letzten Sonnenlicht.

Ein Lächeln umspielt deine Lippen
leicht spöttisch. Ich möchte dran nippen.
Zwei schwarze Augen sehn mich an,
die haben es mir angetan.

Verstehst dich sehr vornehm zu kleiden
in himmelblau schimmernde Seiden,
in Spitzenhemd und Schleifenschuh
mit einem Federhut dazu.

Hältst lässig ihn in deiner Rechten,
willst heut weder jagen noch fechten.
Gehst lieber auf den großen Ball
und brichst im Saal die Herzen all.

Wär ich dir persönlich begegnet,
dann hätt's rote Rosen geregnet.
Doch du bist jung und ich bin alt,
ich lebe noch, du bist längst kalt.

(Bild: Thomas Gainsborough, The Blue Boy)
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14
Mai
2015

Auf immer und ewig

Du meinst, der Marcus, er ist weg?
Mein Kind, da weißt du einen Dreck!
Er segelt über sieben Himmel
mit weißen Flügeln, steifem Pimmel.

Sitzt auf ner Wolke und klopft Karten,
verzehrt die Äpfel aus dem Garten,
erquickt sich an den süßen Reben,
ist frei und wird auf ewig leben.

So geht die Party munter weiter.
Da droben auf der Himmelsleiter
drängen sich immerfort die Gäste
auf rauschende Willkommensfeste.
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26
Apr
2015

Günter Grass - ein Nachruf

Der Günter Grass, der war ein As,
mit seiner spitzen Feder
erschuf er Grafiken ganz krass.
Das kann gewiss nicht jeder.

Doch wie er schrieb, es tut mir leid,
das wirft mich nicht vom Hocker.
Auch suchte er wohl öfter Streit,
da mag ich's lieber locker.

Schlägt er die Trommel noch so laut,
ich fange an zu gähnen.
Wenn Neuss auf seine Pauke haut,
dann lach ich bittre Tränen.

Seite an Seit mit Willy Brandt,
im wilden Wahlkampftrubel,
war Grass bald populär im Land.
Es rollten auch die Rubel.

Gingen zur Neige, welch ein Mist,
zerschlissen warn die Röcke.
Doch wozu ist man Populist,
wozu gibt’s Sündenböcke...

Bei all seiner Beredtsamkeit
konnt er auch ganz gut schweigen
und über die Vergangenheit
die Diskussion vermeiden.

Nun hat die liebe Seele Ruh
und ist vielleicht ein Engel,
der immerzu nur Gutes tut,
und niemals mehr ein Bengel.
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8
Apr
2015

Refugee

Don’t want to be
a refugee.
Evade the flood
in mud and blood
to unknown lands
and slayers’ hands.
Just misery
as refugee.
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27
Mrz
2015

Wunsch

Die Welt ist trostlos und gemein.
Ich wollt, ich könnt ein Igel sein
mit einem spitzen Stachelkleid
und kugelrund zu jeder Zeit.
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